Wenig Aufwand, viel Gefühl: 14 Paare geben sich spontan das Ja-Wort (Artikel aus der Südwest Presse)

Speed-Heiraten in Senden: Wenig Aufwand, viel Gefühl: 14 Paare geben sich spontan das Ja-Wort

In der evangelischen Auferstehungskirche in Senden haben sich Menschen am 25. Mai 2025 kurzentschlossen trauen lassen. Sogar aus Pforzheim reiste ein Paar an. Die Aktion „Einfach heiraten“ zeigt, wie unkompliziert Liebe gefeiert werden kann.

Von Paloma Schneider

„Mit der Liebe ist es wie mit dem Wein – je älter sie wird, desto besser ist sie“, sagt Pfarrerin Kathrin Bohe. Vor ihr sitzen Agnes und Edgar Ott. Agnes wischt sich mit einem Taschentuch eine Träne vom Gesicht und lächelt ihren Mann mit glänzenden Augen an. Die Pfarrerin nimmt eine rote Samtschachtel in Herzform vom Altar und öffnet sie. „Im Zeichen eurer Liebe dürft ihr nun die Ringe tauschen“, sagt sie. Es ist ganz still – nur zwei Zuschauerinnen sitzen auf der Kirchenbank. Niemand möchte die beiden aus ihrer Liebesblase holen oder diesen intimen Moment stören.

Dann ergreift die Pfarrerin erneut das Wort: „Nun dürft ihr euch küssen.“ Edgar und Agnes blicken sich tief in die Augen und kichern, bevor sich ihre Lippen berühren.

Es ist Sonntag, der 25. Mai 2025. Es regnet, und eine dichte Wolkendecke liegt über Senden – doch das Wetter hält die Menschen nicht davon ab, sich spontan das Ja-Wort zu geben: In der evangelischen Auferstehungskirche findet an diesem Tag die Aktion „Einfach heiraten“ statt. Die Otts sind bereits das siebte Paar, das sich für eine spontane kirchliche Trauung entschieden hat. Seit 13 Jahren sind sie standesamtlich verheiratet – nun auch kirchlich.

In 20 Minuten verheiratet

„Die Idee stammt von der Landeskirche. Ich habe dann davon gehört und wollte die Aktion in die Tat umsetzen“, erklärt Pfarrer Jonathan Robker, während er sich einen Wecker für sein nächstes Trauungsgespräch stellt. Er ist eigentlich in Weißenhorn tätig, hat sich für diese Aktion aber Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen aus der Region geholt. Insgesamt haben sich vier Pfarrer und eine Pfarrerin aus Senden, Vöhringen und Weißenhorn zusammengeschlossen. Die Auferstehungskirche wurde aufgrund ihrer Lage und der Größe des Gemeindehauses sowie der Kirche ausgewählt. Da der Tag streng durchgetaktet ist, muss die Organisation reibungslos funktionieren.

Alles nach dem Motto der Liebe

Rote Herzen wehen auf dem Kirchplatze im Wind. Wie ein Wegweiser führt die Deko zum Gemeindehaus, wo Marion Gisa schon wartet. Mit ihrer rosafarbenen Bluse und den blonden Locken sieht sie aus, wie ein Hochzeitsengel – hinter ihr blubbert schon der Sekt in den Gläsern. Das Foyer ist geschmückt mit rosaroten Details: rote Rosenblätter, rosarote Blumensträuße und Herzluftballons.

Gisa empfängt die Paare und hilft beim Ausfüllen der Formulare. „Die Aktion läuft richtig gut. Jetzt, um 13 Uhr, haben wir schon zwölf Paare, die sich heute trauen lassen oder ihre Beziehung segnen lassen“, sagt sie. Für eine Trauung sind die standesamtliche Urkunde und bei mindestens einem Partner oder einer Partnerin die evangelische Taufe Voraussetzung. „Trotzdem ist jedes Paar willkommen, sich den Segen abzuholen – wie mein Neffe, der kommt spontan mit seiner Freundin“, sagt sie und grinst.

Ob kurzfristig oder mit Voranmeldung über ein Onlineformular oder telefonisch – alle bekamen einen Zeitslot. Dennoch galt auch hier das Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wer also eine Tischreservierung bei einem Restaurant hatte, musste sich beeilen.

„Keiner aus unserem Umfeld weiß davon“

„Die meisten Paare kommen, weil sie eine unkomplizierte Trauung wünschen oder ihre Beziehung feiern wollen“, berichtet Pfarrerin Bohe. Am Nachmittag wird sie ein junges Paar trauen. „Die Eltern der Braut feiern heute ihr 25-jähriges Jubiläum – sie kommen auch noch dazu. Es wird also eine kleine Doppelhochzeit geben“, erzählt sie. Auch Pfarrer Robker feiert an diesem Tag seinen 12. Hochzeitstag mit seiner Frau: „Wenn später noch Zeit ist, heirate ich meine Frau einfach noch einmal.“

Frau Ott hörte von der Aktion im Radio. „Wir wollten schon immer kirchlich heiraten, aber es kam immer etwas dazwischen.“ Standesamtlich heirateten die beiden am 11. November 2011. „Als ich dann hörte, dass die Aktion ausgerechnet am 25. Mai 2025 stattfindet – das war für mich ein Zeichen.“

Sie ergriff die Chance und meldete sich mit ihrem Mann über das Onlineformular an. „Wir sind heute aus Pforzheim angereist – ganz alleine. Keiner aus unserem Umfeld weiß davon“, erzählt Herr Ott: „Wir machen das nur für uns.“

Wenig Aufwand, viel Individualität

Die Idee soll Paaren erleichtern, eine kirchliche Trauung zu erleben, ohne große Tamtam oder Planung. Für Blumen, Musik und Sektempfang ist gesorgt. Trotzdem sind Paare eingeladen, Musikwünsche zu äußern und ihren eigenen Fotografen oder Fotografin mitzubringen.

Die Aktion findet jährlich an einem sogenannten „Schnapszahl“-Datum statt – also einem Tag, an dem Tag und Monat die gleiche Zahl tragen wie das Jahr (z. B. 25. Mai 2025).

Von 12 bis 19 Uhr waren alle Paare willkommen – ob jung oder alt, queer oder hetero. In Senden reichte das Alter der Teilnehmenden vom Jahrgang der 1930er bis 2002. Auch ein gleichgeschlechtliches Paar ließ sich segnen.

SWP, 27. Mai 2025.