Gotteshaus im Angebot: Beginnt nun der Ausverkauf bei der Kirche? (aus der Illertisser Zeitung)

Seit Beginn des Jahres steht für die evangelischen Gemeinden in Bayern fest: Jedes zweite Gebäude wird verkauft. Im Kreis Neu-Ulm trifft es als Erstes die Altenstadter Versöhnungskirche.

Von Kilian Voß

Mitten in der katholisch geprägten Marktgemeinde Altenstadt steht eine kleine evangelische Kirche, schlicht weiß verputzt, mit einem kompakten Glockenturm. Für viele Menschen vor Ort ist die Versöhnungskirche mit wichtigen Lebensstationen verbunden: Taufen, Konfirmationen und Hochzeiten fanden hier statt. Nun steht das Gotteshaus zum Verkauf – und im Landkreis Neu-Ulm werden viele weitere evangelische Kirchen folgen. Wir haben mit Dekan Jürgen Pommer gesprochen.

Die Kirchen verlieren ihre Mitglieder. Prognosen zufolge soll sich die Zahl der Gläubigen in der evangelischen Kirche bis zum Jahr 2050 halbieren. Allein 2024 traten 345.000 Deutsche dort aus. Auch im Dekanat Neu-Ulm verlor die Glaubensgemeinschaft innerhalb der vergangenen zehn Jahre tausende Mitglieder. Auch die Anzahl der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer wird in Bayern bis 2035 um mehr als die Hälfte schrumpfen. Diese Zahlen drängen die evangelische Landeskirche in Bayern zu einem drastischen Schritt.

Nur die Hälfte aller evangelischen Kirchen in Bayern soll erhalten werden

Die Anzahl der Kirchen, Pfarrhäuser, Pfarrämter und Gemeindehäuser soll bis 2035 um die Hälfte reduziert werden. Dabei sollen „nur noch so viele Gebäude bewahrt werden, wie tatsächlich unterhalten, mit Gemeindeleben gut gefüllt und von Personal mit regelmäßigen Angeboten versehen werden können.“ Das schreibt die evangelische Kirchengemeinschaft Illertissen in ihrem aktuellen Gemeindebrief. Seit Anfang dieses Jahres bestehen diese Vorgaben der Landeskirche.

Das Dekanat Neu-Ulm möchte die Gemeinden einbinden: „Wir wollen keine Top-Down-Entscheidungen treffen. Die Kompetenz liegt doch bei den Gemeinden selber“, sagt Dekan Pommer im Interview mit unserer Redaktion. Und so war es die Kirchengemeinschaft Illertissen, die als erste Gemeinde im Landkreis mit ihren Verkaufsplänen an die Öffentlichkeit ging.

Versöhnungskirche Altenstadt: Sie macht den Anfang im Dekanat Neu-Ulm

„Die Evangelische Kirchengemeinde Illertissen wird nach derzeitigem Planungsstand mindestens ein Gebäude aufgeben müssen. Unsere Wahl fiel dabei auf die Versöhnungskirche in Altenstadt.“ So steht es im Gemeindebrief. Damit fällt die Versöhnungskirche in Kategorie C: Gebäude, von denen man sich möglichst schnell trennen sollte. Gebäude der Kategorie B sollen bis 2035 verkauft oder in Ertragsobjekte umgewandelt werden. Lediglich Gebäude der Kategorie A bleiben in ihrer jetzigen Form bestehen.

Dekan Pommer erklärt diesen Schritt: „Durch die Austritte gehen die Einnahmen aus der Kirchensteuer drastisch zurück. Und ein großer Ausgabenposten sind die Gebäude.“ Die Pfarrei Illertissen hat sich entschieden, die Versöhnungskirche in Altenstadt zu verkaufen, weil Veranstaltungen, die über den klassischen Gottesdienst hinausgehen, dort nicht möglich seien. Kirchengebäude müssten aber zukünftig auch multifunktional nutzbar sein. Außerdem werde die Gottesdienstgemeinde in Altenstadt „zunehmend älter und kleiner“.

Der Verkauf in Altenstadt stößt auf Kritik und Widerstand

Doch manche Gemeindemitglieder wie Christl Zepp sind über den Verkauf und die Begründung empört: „Angeblich sitzen da nur noch ein paar alte Leute im Gottesdienst.“ Aber die Altersstruktur sei überall in der Pfarrei gleich, sagt sie. Zepp wurde in der Versöhnungskirche getauft, konfirmiert, spielte als Kind die Maria im Krippenspiel. Für sie ist die Kirche mehr als ein Gebäude – sie ist ein Stück Heimat. Über den Verkauf der Kirche sei „die Gemeinde weitgehend empört“, sagt sie.

Dekan Pommer reagiert einfühlsam: „Es gibt Kirchen, in denen ganze Familien getauft wurden.“ Da sei der Verkauf natürlich schwer zu ertragen. „Das ist wirklich ein Abschied. Und das zu verinnerlichen ist einfach schwer.“ Trotzdem appelliert Pommer: „Kämpft nicht um jedes Gebäude.“ Auch ihm und den anderen Hauptamtlichen gehe der Verkauf der Kirchen nahe. „Es gehört aber auch zur Realität, dass wir uns von verschiedenen Dingen verabschieden müssen. Die wenigen Pfarrer und Pfarrerinnen, die wir in Zukunft noch haben, sollen die nicht für die Menschen verantwortlich sein, statt für Gebäude? Es geht darum, wie wir in Zukunft mit weniger Ressourcen trotzdem Kirche sein können.“

Ende 2025: Diese Kirchen werden im Landkreis Neu-Ulm noch verkauft

Pommer ist sich sicher: „Es gibt auch Möglichkeiten, wie die verkauften Gebäude gut genutzt werden können.“ In Burgau sei das Gemeindehaus an die Kommune verkauft worden. Diese möchte daraus nun einen Kindergarten machen. Auch in Friedberg bei Augsburg soll eine Kirche zum Kindergarten werden. „Aber wie es mit der Kirche in Altenstadt weitergeht… Das weiß noch keiner von uns.“

Am 31. Dezember 2026 wird der letzte Gottesdienst in der Versöhnungskirche in Altenstadt stattfinden. Bis Ende des Jahres soll dann feststehen, welche Gebäude im Dekanat Neu-Ulm noch verkauft werden müssen.

Illertisser Zeitung, Nr. 226, 1. Oktober 2025, S. 25