Gemeinsames Abendgebet am 10. Mai 2023

„Denn Gott ist bei mir!“

am Mittwoch, 10. Mai 2023, um 19:30 Uhr in der Martin-Luther-Kirche, Vöhringen

Mit Gebeten, Texten und modernen christlichen Lidern wollen wir Zeit finden, gemeinsam mit Ihnen und „Chor`n moe“ zur Ruhe zu kommen und so gestärkt in die zweite Wochenhälfte zu gehen.

Vöhringer Abend: Widerstand gegen die Staatsgewalt

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Gilt das Fünfte Gebot auch gegenüber Tyrannen?

„Du sollst nicht töten!“ (2.Moses 20,13) Dieses Gebot klingt unmissverständlich und scheint keine Ausnahmen zuzulassen. Aber könnte es nicht doch in bestimmten Fällen erlaubt sein, einen Einzelnen zu töten, um damit Menschen vor weiterem Unheil zu retten? Dazu hatte sich Dietrich Bonhoeffer
1944 im Tegeler Gefängnis geäußert: „Wenn ein Wahnsinniger auf dem Kurfürstendamm sein Auto über den Gehweg steuert, so kann ich als Pastor nicht nur die Toten beerdigen und die Angehörigen trösten; ich muss hinzuspringen und den Fahrer vom Steuer reißen, wenn ich eben an dieser Stelle stehe.“
Johannes Knöller, Pfarrer an der Petruskirche in Neu-Ulm, wird in die biblischen wie auch theologischen Begründungen zum Tyrannenmord einführen und der Frage nach einem Widerstandsrecht in der Gegenwart nachgehen.

Termin: Dienstag, 2. Mai, 19.30 Uhr
Ort: Evang. Gemeindehaus, Beethovenstraße 1, Vöhringen
Kosten: Um eine Spende wird gebeten
Veranstalter: Evangelisches Bildungswerk Neu-Ulm

Predigt vom WegweiserGottesdienst an Palmsonntag von Helmut Haas

Thema: „Ein Leben, durchkreuzt – alles für mich?“

Text:        Johannes 12, 12 – 19

Am nächsten Tag verbreitete sich unter der Volksmenge, die zum Passahfest gekommen war, die Nachricht: Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Da nahmen die Menschen Palmenzweige, liefen Jesus entgegen und riefen ihm begeistert zu: »Gelobt sei Gott! Gepriesen sei, der in Gottes Auftrag kommt, der König von Israel!« Jesus ließ sich ein Eselfohlen bringen und ritt auf ihm in die Stadt. Damit erfüllte sich das Prophetenwort: »Fürchtet euch nicht, ihr Menschen auf dem Berg Zion! Euer König kommt! Er reitet auf einem Eselfohlen.« Doch das verstanden seine Jünger damals noch nicht. Erst nachdem Jesus in Gottes Herrlichkeit zurückgekehrt war, begriffen sie, dass sich mit dem, was hier geschah, die Voraussage der Heiligen Schrift erfüllt hatte. Alle, die dabei gewesen waren, als Jesus Lazarus aus dem Grab gerufen und wieder zum Leben erweckt hatte, hatten es weitererzählt. Deswegen liefen Jesus jetzt auch so viele Menschen entgegen. Sie wollten den Mann sehen, der ein solches Wunder vollbracht hatte. Nur die Pharisäer warfen sich gegenseitig vor: »Nun seht ihr, dass ihr so nichts erreicht! Alle Welt rennt ihm hinterher!«

I. Wir feiern Palmsonntag

Wir erinnern uns daran, wie Jesus in die Hauptstadt Jerusalem einreitet – nicht auf dem hohen Ross, sondern auf einem Füllen einer Eselin, nicht sonderlich herrschaftlich und auch nicht kriegerisch, sondern friedlich. Aber so, wie es von den Propheten verheißen war – nachzulesen beim Propheten Sacharja.

Aber die Menschen um ihn her jubeln ihm trotzdem zu. Sie haben ihre Kleider auf den Boden gelegt, sozusagen den roten Teppich für ihn ausgerollt. Schon lange haben sie auf diesen Moment gehofft.

Nun – schließlich sind seine Jünger schon 3 Jahre mit ihm durch die Provinz gezogen, seit er sie als engste Vertraute berufen hat. 3 Jahre haben sie mit ihm gelebt, seinen Reden zugehört, seine Wunder gesehen und waren erstaunt, ja teilweise entsetzt und haben sich gefragt:

»Wer ist dieser Mensch?«

Und nun ist es endlich soweit. Die Menschen begrüßen ihn als den gerechten König. Endlich ist er da, der große Tag. Und sie, seine Jünger, sind mittendrin. Viele seiner Fans schwenken Palmzweige und rufen Hosianna.

Damit bringen sie zum Ausdruck:

»Du bist der Messias, der neue König der Juden. Befreie uns.«

Es ist kurz vor dem Passahfest und die Stadt ist voller Pilger. Ideale Voraussetzungen für Publicity, Jesus könnte groß rauskommen.

Dazu hat sich noch herumgesprochen, dass er vor Kurzem seinen Freund Lazarus vom Tod auferweckt hatte, nachdem der schon mehrere Tage im Grab lag. Ideale Voraussetzungen für Publicity.

Ideale Voraussetzungen

um jetzt zu handeln,

um jetzt klare Sache zu machen,

um jetzt den Römern zu zeigen, wer der wahre Herr im Lande ist.

Die Erwartungen und Reaktionen auf dieses Ereignis waren ganz unterschiedlich und konnten wohl kaum unterschiedlicher sein:

Die Anhänger von Jesus erwarteten die Erfüllung ihrer tiefsten Wünsche und Vorstellungen. Heute ist der große Tag – Jesus ist König und sollte sie befreien von der römischen Fremdherrschaft. Was wird er tun?

Sie haben alles auf die eine Karte gesetzt: Jesus.

Da waren die obersten Priester, der Hohe Rat, die geistlichen Führer des Volkes. Sie erwarteten Ärger:

Ärger im Volk – alles Volk läuft ihm nach, so sehen sie es – und letztlich Ärger mit der römischen Besatzung.

Und so hatten sie Angst um ihre Macht und ihren Einfluss.

Für sie war Jesus eine existenzielle Bedrohung.

Die Pharisäer, für sie war Jesus ein unangenehmer Kritiker. Sie waren ständig Zielscheibe seiner kritischen Äußerungen und beliebten Beispiele. Sie erwarteten, dass Jesus sich endlich unterordnen, sich an Gesetz und Tradition halten würde. Gefälligst sollte er nicht ständig ihre Vorschriften für den Sabbat übertreten.

Und noch viel schlimmer – für sie war er ein Gotteslästerer mit seinem Anspruch der Sohn Gottes zu sein – unerhört.

Die Römer dagegen erwarteten von Jesus überhaupt nichts.

Die Soldaten machten ihren Job und der Stadthalter versuchte alles unter Kontrolle zu bekommen – was ihm allerdings nicht wirklich gelang, denn er wurde von den religiösen Führern ausgenutzt – instrumentalisiert.

Für die Römer war Jesus ein religiöser Fanatiker.

Die Festbesucher schließlich waren neugierig, vielleicht auch sensationslüstern.

Jesus, von dem man schon viel gehört hatte, mal aus der Nähe sehen, eine seiner schönen Reden hören. Man sagt, er könne so gut Geschichten erzählen. Vielleicht ist auch eine Wunderheilung drin oder eine weitere Auferweckung von den Toten wie zuvor bei Lazarus – und da live dabei sein. Das wäre toll.

Unterschiedliche Erwartungen, unterschiedliche Reaktionen.

Finden Sie sich hier irgendwo wieder?

Mit wem könnten Sie sich am ehesten identifizieren?

Denn je nach dem werden Sie in der kommenden Woche an die Passionsgeschichte ran gehen – so oder so.

Eines zeigt diese Geschichte des Einzugs. Keine dieser Gruppen hat Jesus zu diesem Zeitpunkt wirklich verstanden:

weder seine Jünger, denen er aber vieles vorher gesagt und versucht hatte zu erklären,

noch seine Fans, Bewunderer bzw. die Festbesucher,

noch weniger seine Gegner, die ihn baldmöglichst aus dem Weg schaffen wollten.

Alle fragten sich ständig:

»Wer ist dieser Mann?«

Um sein Leben, das durchkreuzt wurde, geht es in der kommenden Karwoche.

Egal,

ob Sie sich als begeisterter Anhänger Jesu bezeichnen würden

oder,

wie ein Jerusalemer Festbesucher vor 2000 Jahren, eher zufällig über diesen Jesus gestolpert sind.

Egal,

ob Sie Jesus mit einigem Sicherheitsabstand beobachten und mustern

oder

ob Sie für ihn ihre Kleider auf die Straße legen und Palmzweige schwingen würden.

Es geht immer um die zentralen Fragen:

»Wer ist dieser Jesus?«

und

»Was hat sein Leben, vor allen Dingen seine Passion,

  mit meinem, mit ihrem Leben zu tun? Alles für mich?«

Lied: Jesus, du allein bist genug…

II. Einige Ereignisse in der Karwoche

Die Begeisterung beim Einzug Jesu in Jerusalem war groß – sicherlich nicht bei allen. Aber zumindest bei den Menschen, die Jesus beim Einzug begleitet hatten. Allerdings schlug die Stimmung in der Stadt Jerusalem im Laufe der Woche total um.

Was in dieser Woche geschah und wie Jesus dies erlebte, dem wollen wir nachgehen – immer mit der Frage im Hinterkopf:

»Was hat das mit meinem Leben zu tun? Alles für mich?«

Aber eins nach dem anderen…

…für Jesus war diese Woche eine ereignisreiche Woche, in der er Höhen und Tiefen durchlebt hatte – wobei die Tiefen überwogen.

II.a Jesus wurde mit Verrat und Verleugnung konfrontiert

Judas, den kennen wir. Sein Verrat ist sprichwörtlich geworden. Auch ihm hat Jesus die Füße gewaschen, sowie Brot und Wein gereicht bei der Sederfeier zum Passahfest. Und nun verrät er Jesus für 30 Silberlinge und zeigt dem Hohen Rat den Weg zu einer unauffälligen Verhaftung abseits der Pilgermassen.

Mit einem Bruderkuss verrät er ihn.

Verrat aus den eigenen Reihen, egal aus welchen Motiven heraus – das tut weh. Wenn Freunde einen denunzieren – das haben Christen in der ehemaligen DDR am eigenen Leib erlebt.

Jesus kann da mitreden.

Und dann ist da noch Petrus. Großmundig verkündete er wenige Tage vorher noch, dass er für Jesus alles geben würde, sogar sein Leben. Es war ihm in diesem Moment sicherlich ernst. Aber als er am Feuer stand, um sich im Hof des hohepriesterlichen Palastes zu wärmen, da kannte er Jesus plötzlich nicht einmal.

Als er von Umstehenden auf seine Zugehörigkeit zu Jesus angesprochen wurde streitet er dies vehement ab:

»Ich ein Jünger Jesu? – nein, niemals. Wie kommt ihr darauf?

  Ich kenne diesen Menschen nicht – noch nie gesehen.«

Kennen wir das – diese Menschenfurcht?

Dieses ungute Gefühl in der Magengegend, wenn wir nach unserem Glauben gefragt werden, oder wenn wir bei Gesprächen klar Stellung beziehen sollten? Bist du nicht auch Christ?

Da ducken wir uns doch lieber weg…

II.b Jesus musste Todesangst durchleiden

Jesus hat seinen Leidensweg, sein bevorstehendes Sterben, nicht auf die leichte Schulter genommen – obwohl er diesen Weg klar vor Augen hatte. Im Gegenteil, im Garten Gethsemane hatte er – ganz menschlich – Todesangst ausgestanden.

Er gestand seinen Jüngern:

»Meine Seele ist betrübt bis an den Tod;

  bleibt hier und wacht mit mir.«

Obwohl er seinen Auftrag wusste, betete er zu seinen Vater im Himmel, er möge doch diesen Kelch an ihm vorüber gehen lassen.

Jesus kann unsere Angst vor dem Sterben gut nachvollziehen. Er hat es durchlebt, weiß wovon wir reden und wovor wir Angst haben.

Und trotzdem stellte er sich unter den Willen des Vaters, wenn er weiter betete:

»…doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!«

Aber auch im Garten Gethsemane wurde er enttäuscht, denn seine Jünger schafften es nicht in dieser Zeit wach zu bleiben und ihn im Gebet zu unterstützen – sie sind während dessen eingeschlafen.

Kennen wir das bei uns auch?

Und bei der Gefangennahme Jesu selbst hatten seine Jünger ihn schließlich alle allein gelassen, sind um ihr Leben gerannt. Keiner blieb bei ihm – alle Freunde weg, wenn es brenzlig wurde.

Einsam und allein gelassen von Menschen.

Jesus kann unsere Einsamkeit, unser Verlassensein verstehen und nachvollziehen.

II.c Schauprozess vor dem Hohen Rat und vor Pilatus

Es war ein politisch und religiös motivierter Schauprozess, den Jesus erleben musste – abseits jeglicher Rechtsstaatlichkeit.

Stichhaltige Anklagepunkte gab es nicht. So mussten vor dem Hohen Rat falsche Zeugen herhalten – aber die taugten auch nicht viel. Erst als Jesus sich als Gottes Sohn, als der verheißene Messias outete, wurde es gefährlich für ihn. Für die religiösen Führer des Volkes war das eindeutig Gotteslästerung und auf Gotteslästerung stand die Todesstrafe. Dumm nur, dass sie zur Vollstreckung des Todesurteils die römische Besatzungsmacht benötigten, denn nur die durfte Todesurteile vollstrecken.

Gut – sie hätten ihn lynchen können. So, wie wir es aus islamisch oder hinduistisch geprägten Ländern immer wieder hören, dass Christen nach haltlosen Beschuldigungen durch einen Mob gelyncht werden – letztlich nur, weil sie sich zu Christus bekennen.

Also zog der Hohe Rat vor den verhassten Stadthalter Pontius Pilatus. Zuerst waren sie reichlich erfolglos mit ihrem Unterfangen. Pilatus fand beim Verhör keine Schuld bei Jesus, die eine Verurteilung und die Vollstreckung der Todesstrafe rechtfertigen würde. Aber sie ließen nicht locker und setzten Pilatus zunehmend unter Druck. Sie verstiegen sich sogar zu einem eigentlich undenkbaren Bekenntnis:

»Wir haben keinen König als den Kaiser.«

Wozu der Mensch doch fähig ist, bis hin zur Selbstverleugnung, wenn er seine egoistischen Ziele erreichen will.

Pilatus knickte ein und gabt Jesus frei zur Geißelung und Kreuzigung.

Noch heute wird Pontius Pilatus im Glaubensbekenntnis genannt. Ich denke, dass es sich Pilatus nicht hat träumen lassen, dass er auch 2.000 Jahre später im Zusammenhang mit Jesu Passion so oft  genannt wird.

II.d Jesus erleidet Schmerz und Todeskampf bei Geißelung und

Kreuzigung

Pilatus befahl die Geißelung Jesu. Er wollte damit die Volksmassen beruhigen, ihre Blutrünstigkeit befriedigen. Die Geißelung war eine brutale, verletzende und schmerzhafte Misshandlung. Diese Tortur überlebten damals viele nicht.

Jesus kennt unsere körperlichen Schmerzen, unser geschunden sein.

Die religiösen Führer und das anwesende Volk forderten aber unbeeindruckt weiter seine Kreuzigung. Pilatus wusch seine Hände zwar in Unschuld, befahl aber Jesu Kreuzigung. Seine politische Karriere war ihm wichtiger als Gerechtigkeit walten zu lassen, wichtiger als das Leben dieses jüdischen Wanderpredigers.

Wie schnell sind wir bereit zu faulen Kompromissen, wenn es um unseren persönlichen Vorteil geht?

Die Römer waren nicht nur bei der Geißelung gnadenlos, sondern auch grausam bei der Todesstrafe für Menschen, die keine römischen Bürger waren. Sechs Stunden dauerte der Todeskampf Jesu am Kreuz.

Von den religiösen Führern musste Jesus Hohn und Spott ertragen.

Jesus kann mitfühlen, wenn wir verlacht, verspottet, gehänselt oder gemobbt werden – nur weil wir an ihn glauben.

Die römischen Soldaten kümmerte der Todeskampf Jesu wenig, sie würfelten gleichgültig um die Kleider Jesu, um sie unter sich zu verteilen – irgend einen Profit muss man ja schließlich von der Sache haben.

Jesus kann auch mit unserer Gleichgültigkeit umgehen – mit unserer Gleichgültigkeit ihm gegenüber.

Seine Nachfolger, soweit sie sich in die Nähe der Hinrichtungsstätte trauten, sahen ihre Hoffnung sterben.

Und Jesus?

Er bat den Vater im Himmel:

»Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.«

und er kümmerte sich um das Seelenheil eines der Mitgekreuzigten.

Was Jesus aber am Kreuz erlebte war Gottverlassenheit, getrennt sein vom Vater im Himmel.

Er hat meine Schuld und Sünde auf sich genommen. Dadurch kann er keine Gemeinschaft mit Gott haben, denn Sünde hat keinen Platz in der Gegenwart Gottes. Daher die Gottverlassenheit:

»Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!«

Jesus weiß auch um unsere Gottverlassenheit. Deshalb ist es so wichtig, so entscheidend, dass ich meine Sünde bei Jesus ablade, denn nur durch die Vergebung kann ich ohne Sünde vor Gott treten und Gemeinschaft mit ihm haben. Kann meine Gottverlassenheit überwunden werden.

Es gibt keinen anderen Weg.

Als Jesus am Kreuz stirbt, zerreißt der Vorhang im Tempel – jener Vorhang, der den Zugang zum Allerheiligsten versperrt, dem Wohnort Gottes bei den Menschen. Damit wird der Weg frei in die Gegenwart des Vaters, heraus aus unserer Gottverlassenheit.

Lied: Jesus, Herr, ich denke an dein Opfer…

III. Alles für mich?

Jesus erduldete Verrat und Verleugnung, war einsam und verlassen. Er musste Ungerechtigkeit, Hohn und Spott über sich ergehen lassen. Er durchlitt Todesangst und Gottverlassenheit.

Warum und wozu das Alles?

Verstehen kann man das alles nicht. Die Motivation Jesu war Liebe – Liebe zu Ihnen und Liebe zu mir. Liebe kann man nicht verstehen.

Aber folgender Bibeltext aus dem Buch des Propheten Jesaja bringt uns da vielleicht auf die Spur:

Text:        Jesaja 53, 3 – 6

Er wurde verachtet, von allen gemieden. Von Krankheit und Schmerzen war er gezeichnet. Man konnte seinen Anblick kaum ertragen. Wir wollten nichts von ihm wissen, ja, wir haben ihn sogar verachtet. Dabei war es unsere Krankheit, die er auf sich nahm; er erlitt die Schmerzen, die wir hätten ertragen müssen. Wir aber dachten, diese Leiden seien Gottes gerechte Strafe für ihn. Wir glaubten, dass Gott ihn schlug und leiden ließ, weil er es verdient hatte. Doch er wurde blutig geschlagen, weil wir Gott die Treue gebrochen hatten; wegen unserer Sünden wurde er durchbohrt. Er wurde für uns bestraft – und wir? Wir haben nun Frieden mit Gott! Durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir alle irrten umher wie Schafe, die sich verlaufen haben; jeder ging seinen eigenen Weg. Der HERR aber lud alle unsere Schuld auf ihn.

Alles für mich – für mich persönlich?

Hat Jesus das alles für mich persönlich durchlitten?

Für meine Nachbarn – ja, das könnte ich nachvollziehen, aber doch nicht für mich?

Für denjenigen, der heute neben mir sitzt – ja, das könnte ich verstehen, der hat das sicherlich nötig, aber ich doch nicht?

Doch Vorsicht, dass wir uns da nicht in die eigene Tasche lügen.

Setzen Sie mal in unseren Jesajatext ihren Namen ein.

Dann heißt es dort nämlich ganz konkret:

»Aber er ist um meiner Missetat willen verwundet und

  um meiner Sünde willen zerschlagen.«

Auch für die meines Nachbarn – sicherlich – aber nicht nur.

Jesu Hände von Nägeln durchbohrt –

für alles, was ich mit meinen Händen falsch gemacht habe, wo ich mit meinen Händen verletzt habe.

Vielleicht durch das Schreiben einer verletzenden WhatsApp – Nachricht, einer gehässigen Mail oder eines bösen Briefes…

Jesu Füße von Nägeln durchbohrt –

für all die falschen und eigenwilligen Wege, die ich gegangen bin – ohne nach Gott zu fragen.

Vielleicht sogar bewusst gegen seinen Willen.

Gott ist ein Gott der mich sieht – so heißt es in der Jahreslosung.

Er sieht mich und er sieht meine Motivation, meine Beweggründe.

Und die Ihrigen.

Er sieht den tieferen Grund für mein Denken, Reden und Tun.

Er weiß, wie ich es meine – vor ihm kann ich nichts verheimlichen.

Jesus ist für mich gestorben, damit ich wieder neu anfangen kann.

Bei Jesaja heißt das:

»Die Strafe liegt auf ihm, auf dass ich Frieden hätte,

  und durch seine Wunden bin ich geheilt.«

Wer wünscht sich nicht Frieden und Heilung – für sich und die Welt?

Bei Jesus können wir beides finden.

Wäre Jesus an Karfreitag für mich am Kreuz gestorben und im Grab geblieben, dann wäre danach mit Allem Schluss gewesen.

Wir feiern aber am nächsten Sonntag Ostern – die Auferstehung Jesu. Jesus lebt. Damit vertraue ich nicht einem toten Gott, sondern kann mein Leben mit einem lebendigen Jesus teilen.

Das wünsche ich auch Ihnen.

Dazu wünsche ich Ihnen keine normale Karwoche,

sondern eine nachdenkliche, eine sehr nachdenkliche.

Amen

Lied: Ich seh das Kreuz…

Segen

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.

Amen

Helmut Haas

Im Dunkeln unsrer Nacht – Einladung zur Osternachtfeier

In diesem Jahr werden wir die Osternacht von Samstag auf Sonntag in unserer Martin-Luther-Kirche, Vöhringen, feiern. Mit Lesungen, Besinnung, Gesängen, Liedern und Licht lassen wir uns in die Auferstehung Jesu hineinnehmen und feiern gemeinsam das Abendmahl. Die Osternachtfeier beginnt um 23.00 Uhr und dauert anderthalb Stunden.

Die nächtliche Uhrzeit ist kein Frühstart. Von alters her haben Christen Ostern in der Nacht nach dem Sonnenuntergang gefeiert, fängt doch der Schöpfungstag mit der Dunkelheit an: „Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.“ (Genesis 1,5). Ebenso feiern wir ja auch den Geburtstag Jesu am 25. Dezember am Heiligen Abend davor.

Die Auferstehung Christi ist unserem menschlichen Blick entzogen. Und doch wird sie in der Osternacht für uns neu wirklich.

Andacht zum Weltgebetstag 2023 (Taiwan) von Berit Knorr

Andacht zum Weltgebetstag 2023 (Taiwan)

Ich habe gestern bei uns im Keller eine Blechdose wieder entdeckt. Und ich wusste auch gleich was sich darin befindet, zumindest ungefähr. Ich habe sie mit nach oben in die Wohnung genommen und geöffnet. Und – ich habe sie auch mitgebracht.

Darin befinden sich … Briefe und Briefmarken.

Ich verrate Ihnen, dass es sich bei den Briefen um kleine Liebesbotschaften handelt, die ich meinem Mann oder die er mir geschrieben hat. Immer wieder schön, sie zu lesen! Eigentlich schade, dass wir uns schon länger nicht mehr geschrieben haben –

In diesem Kästchen befinden sich außerdem noch ein paar alte Briefmarken. Die habe ich früher gesammelt und teilweise auch von meinem Papa bekommen, der ein Briefmarken­sammler war. Ich bin immer wieder einmal erstaunt, wie wunderschön diese kleinen Papierstückchen sind. Und ich habe mich gefragt, auf welchen Postkarten oder Briefen sie wohl einmal geklebt haben und welche Botschaften damit versendet wurden…

Mein Gedanke war, vielleicht sollten wir auch allgemein wieder beginnen, mehr Briefe mit guter Botschaft die von Herzen kommt zu schreiben! Denn WhatsApp Nachrichten halten sich keine 40 Jahre!

Die Frauen aus Taiwan haben sich auch einen Brief ausgesucht, nämlich den Epheserbrief Kapitel 1,15-19. Und in gewisser Weise ist auch dieser Brief ein Liebesbrief:

Ich höre nicht auf, für euch zu danken, wenn ich in meinen Gebeten an euch denke; denn ich habe von eurem Glauben an Jesus, den Herrn, und von eurer Liebe zu allen Heiligen gehört. Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit und Offenbarung, damit ihr ihn erkennt. Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt und wie überragend groß seine Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist durch das Wirken seiner Kraft und Stärke.

Man muss zwar etwas genauer hinschauen, aber sie werden sehen, er enthält sehr viele wunderschöne Botschaften.

Paulus schreibt also einen Brief an diese Gemeinde in Ephesus. Er hatte von ihr gehört und das hat ihn so berührt, dass er seitdem nicht mehr aufgehört hat für sie zu beten.

Warum?

Sie hatten einen liebevollen Umgang miteinander! Das blieb nicht unbemerkt! Das hat sich herumgesprochen. Das hat Paulus erfahren und das hat sein Herz berührt!

Wer in die Gemeinde in Ephesus kam, der konnte spüren, dass hier etwas anders war, der konnte den Geist spüren, der hier wehte.

Paulus schreibt das auch in diesem Brief: Ich danke Gott täglich für diese Liebe die Ihr lebt!

Und er kann sich auch sehr gut erklären, warum sie so anders sind: Es ist Jesus! Und zwar der feste Glaube an Jesus, an den von Gott geliebten Sohn, der auf die Erde kam um für die Sünden der Menschen am Kreuz zu sterben, Ihre Liebe zu dem Mann aus Nazareth ermöglichte ihnen auch, die Liebe untereinander zu leben.

Und weil das so ist, so schreibt er, bittet er Gott um mehr! Ist der Glaube fest auf Jesus gebaut, gibt es noch so viel mehr zu entdecken. Es ist eine Reise, die hier beginnt und die ein Leben unendlich spannend macht. Denn mit Jesus ist das Leben nie langweilig!

Paulus bittet Gott in seinem Brief um folgende drei Dinge für die Gläubigen in Ephesus!

Erstens, um den Geist der Weisheit und der Einsicht – um Gott besser in seiner Allmacht und Größe begreifen zu können brauchen wir seinen Geist. Denn unser menschlicher Verstand tut sich schwer, Gott wirklich voll und ganz zu begreifen.

Zweitens bittet er um hell erleuchtete Herzen, oder, in der Lutherübersetzung steht ‚erleuchtete Augen des Herzens‘ – ich finde diesen Ausdruck besonders schön! Es geht darum zu erkennen, wie gut die Zukunft wird, wenn man sie mit Jesus geht. Eine Zukunft in der man nie mehr allein und schutzlos durch das Leben gehen muss, eine Zukunft hier in unserem irdischen Leben und eine noch viel größere, wunderbarere Zukunft in der Ewigkeit!

Und drittens bittet er darum, dass sie erkennen können, wie groß Gottes Kraft ist mit der er in ihnen wirkt! Eine Kraft, die so gewaltig ist, wie die Kraft, die Jesus von den Toten auferweckt hat.

Wahnsinn! Können wir uns das überhaupt vorstellen?

Haben wir diese Kraft denn jemals in Anspruch genommen, die in uns wirkt? Ich denke, da haben nicht nur die Christen in Ephesus noch viel zu lernen, sondern auch die Menschen in Taiwan und letztendlich ja auch ein jeder von uns.

Es geht also um nichts geringeres in diesem Text, als dass Menschen, die Jesus kennen und lieben, im Glauben weiter wachsen und reifen dürfen, und dazu brauchen sie Gott und seinen Geist.

Paulus betet und bittet für die Gemeinde in Ephesus – es sind Gebete die das Leben der Menschen allmählich und für immer verändern sollen.

Und ich denke, jetzt verstehen wir auch, warum Taiwan sich ausgerechnet diesen Bibeltext, diesen Brief ausgesucht hat! Denn genau das sind die Gebete die auch unsere Geschwister in Taiwan brauchen!

Beten wir darum, dass unsere Geschwister in Taiwan durch Gottes Geist, Gott immer besser kennenlernen dürfen, dass sie erkennen dürfen, wer er ist und was er für sie getan hat durch Jesus Christus.

Beten wir für die taiwanesischen Christen, dass ihre Herzensaugen geöffnet und erleuchtet werden, für eine Zukunft, der man mit einem festen Glauben und Hand in Hand mit Jesus aufrecht und voller Zuversicht entgegentreten kann. Denn gerade in Taiwan haben viele Menschen Angst vor einer militärischen Auseinandersetzung mit China.

Und für eine Hoffnung und eine Gewissheit, dass ihnen auch nach dem Tod noch so viel Wunderbares bevorsteht.

Beten wir darum, dass sie erkennen dürfen wie unglaublich groß diese Kraft ist, mit der er in allen, die an ihn glauben, wirkt.

Danken wir Gott, dass es in Taiwan Menschen gibt, die Jesus in ihr Leben aufgenommen haben und deshalb auch einen liebevollen Umgang untereinander pflegen.

Und beten wir darum, dass noch viel mehr Menschen in Taiwan zum christlichen Glauben kommen, denn einen Gott, der seine Kinder liebt, den haben nur wir.

Großer und barmherziger Gott,

segne uns und die Menschen in Taiwan,

schenke uns ein liebendes Herz für einander, lass uns deine Liebe die du uns durch deinen Sohn offenbart hast, in die Welt und zu unserem Nächsten bringen

segne uns und die Frauen in Taiwan mit dem Geist der Weisheit und der Offenbarung, damit wir erkennen dürfen, wie groß, gut, liebend und mächtig du bist.

segne uns und die Frauen aus Taiwan und schenke uns Augen die hell und klar erkennen, was unsere Berufung ist und welche wunderbare Zukunft uns jetzt und in der Ewigkeit mit dir erwartet.

Segne uns und die Frauen in Taiwan,

damit wir begreifen wie groß deine Kraft ist, die in uns wirkt

Und so segne uns der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, Amen

Berit Knorr

Hier der Text als pdf.

Heilfasten in der Gruppe

„Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht …“ (Mt 6,16)

Wie 2022 wird es auch dieses Jahr wieder eine Heilfastengruppe geben. 5 Tage nach dem Konzept des Buchinger Fastens wird eine Nahrungspause eingelegt. Der Körper ernährt sich nun von seinen Reserven. „Jetzt können die Pfunde fließen…“ ist einer von vielen angenehmen Begleiterscheinungen. Es ist eine tolle Möglichkeit den Wert der Nahrung wieder neu schätzen zu lernen und sein Essverhalten mit Abstand zu betrachten. Der Körper hat Zeit sich zu entgiften und sich von Abhängigkeiten wie Medikamente und Genussmittel zu lösen.

Wir starten am Sonntag den 12.3. um 15:30 Uhr mit einem Spaziergang. Dies ist auch der Entlastungstag.
An den kommenden 5 Tagen wird gefastet. Bei einem täglichen Treffangebot können Fragen geklärt, sowie Erfahrungen ausgetauscht werden.

Interessenten – auch gerne für Rückfragen – melden sich bitte direkt unter haller.ha2@t-online.de.

Für telefonische Kontaktaufnahme bitte im Pfarramt Vöhringen die Telefonnummer angeben, dann rufe ich Sie gerne zurück.

Auf Euer Kommen freut sich
Hans Haller

t-Gespräche

Im März beginnt eine neue Veranstaltungsreihe im Gemeindehaus Vöhringen.

t-Gespräche nenne ich sie: Am Vormittag ein halbstündiger Impulsvortrag mit anschließendem Gespräch. Dazu eine Tasse Tee.

Das erste t-Gespräch findet am Donnerstag, 9. März um 10 Uhr. Ich werde die Lebensgeschichte der Ärztin Anne Spoerry (1918-1999) vorstellen, die in Kenia als fliegende Ärztin (Mama Daktari) hunderttausende Patienten behandelt hatte und doch eines nicht vermochte – ihr eigenes Verbrechen
wiedergutzumachen.

Der Termin für das zweite t-Gespräch ist Donnerstag, 11. Mai um 10 Uhr. Das Thema wird noch rechtzeitig bekanntgegeben.

Jochen Teuffel

Gabriele Burmanns Predigt zum Ersten Gebot im Rahmen der Predigtreihe „Zehn Gebote entfaltet“

Predigt über das Erste Gebot

Von Gabriele Burmann, Dekanin i.R., Neu-Ulm

Liebe Gemeinde,

Heute geht es um das erste Gebot:

Ich bin der Herr dein Gott. Du sollst nicht andere Götter haben, neben mir. (2.Mose 20,2-3)

Heute stehe ich vor Ihnen, nachdem ich ein Berufsleben lang Geschichten über Gott erzählt habe, selbsterlebte oder überlieferte Spuren seines Daseins und Wirkens verfolgt und weitergegeben habe, ja auch mal vergeblich nach ihm gesucht und gefragt, auch mal mit ihm gehadert habe. Was bleibt wichtig? Ist er mir näher gekommen im Laufe der Jahre, oder eher ferner gerückt? Verstehe ich heute mehr von seinem Wesen? Kommt jede Rede von Gott nicht vielleicht altmodisch rüber, klingt wie aus einer längst vergangenen Zeit? Was ist mit den 10 Geboten?

Sind sie vielleicht längst überflüssig? Der Mensch hat sich emanzipiert, hat Moral gelernt und Rücksichtnahme und Respekt? Längst ohne den Glauben an den einen Gott? Aber in unerschütterlichem Stolz auf die eigene Größe.

Wenn ich zurückschaue, auf den 60er Jahre: Da haben Manche gehofft, dass die Technik uns Menschen zu Vernunft bringen wird: Die Mondlandung hat gezeigt, zu welchen Höhenflügen der Mensch fähig ist.

In den 90er Jahren nach der Wende waren wir wie berauscht vom Wunder der gewaltlosen Wiedervereinigung Deutschlands und der offensichtlichen Auflösung der verfeindeten Blöcke. Endlich bricht Frieden an und Gerechtigkeit bricht sich Bahn. Endlich kann sich die Menschheit um die Bewahrung der Schöpfung, die Rettung der Mitwelt kümmern.

Und dann die Ernüchterung. In den letzten Jahren mehrere große Ohnmachtserlebnisse:

Eine Pandemie – Dabei ist das schlimmste die Erkenntnis, dass auch in der Not jeder sein Nächster ist, und so viel Eigennutz und Ratlosigkeit zu spüren war.

Und dann der Krieg in Europa. Wir wollten Frieden schaffen ohne Waffen, ich stand damals in der Menschenkette im Wiley gegen den Nato Doppelbeschluss, dort wo die Pershings stationiert waren. Und nun feiert wieder der Gedanke vom gerechten Krieg ein Comeback und wir erleben eine in Lager zerrissene Welt:

Viel zu oft haben wir in der letzten Zeit gemerkt, dass wir nichts oder fast nichts zu einer Besserung der Situation beitragen können. Ohnmachtserfahrungen führen zu Depression oder Wut. Die Trommeln der „Spaziergänger“ vom Freitag, die durch Ulm und Neu-Ulm gezogen sind, dröhnen mir noch im Gedächtnis.

Oder wie es manche jungen Menschen tun, in ihrer Hilflosigkeit: Sie kleben sich an Straßen und Startbahnen, sie klettern auf Bäume und verschanzen sich in aufgelassenen Häusern. Sie stören auf vielfältige Weise, sie zeigen ihre Verzweiflung und verstoßen dabei gegen Gesetze. Und dabei haben sie doch Recht mit ihrer Mahnung zur Umkehr.

Wer ein politisches Amt innehat, erlebt auch dass er oft hilflos ist, gegen Sachzwänge und Rücksichten die nichts vorwärtsbringen, was doch Not tut.

Währenddessen kommen immer mehr Geflüchtete aus verschiedenen Gegenden der Welt zu uns, erwärmt sich die Erde weiter und die alten Grenzen von Nationen und Machtblöcken erstehen auf, auch der Wahn von Rassenunterschieden gewinnt an Attraktivität.

Wie klingt da das Wort in unseren Ohren: Ich bin der Herr dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir?

Mich befördern diese Worte mit einem Mal heraus aus den vielen Stimmen und Nachrichten. Sie tun mir gut. Ruhe umgibt mich. Ich spüre den langen Atem Gottes. Eine ganz andere Zeitrechnung: 1000 Jahre sind vor dir, wie der Tag der gestern vergangen ist und wie eine Nachtwache. (Psalm 90,4)

Ich nehme einen anderen Blickwinkel ein: Ich sehe die Erde aus weiter Ferne als winzigen leuchtenden Punkt im dunklen Weltall.

So konnte man kürzlich mithilfe einer Raumsonde unsere irdische Heimat zum ersten Mal sehen. Das Bild hat mich fasziniert.

Nein, das ist noch lange nicht der Blickwinkel Gottes. Aber wir können in der Betrachtung der Erdgeschichte eine winzige Ahnung von den Zeitläuften gewinnen. Jahrmillionen sind abzulesen an Felsformationen und Spuren fossiler Lebewesen.

Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch. Ich kann sie nicht begreifen (Psalm 139.6),so staunt der Psalmbeter vor Tausenden von Jahren und spricht mir aus dem Herzen.

Und der biblische Hiob erkennt nach vielen Höhen und Tiefen, nach persönlichen Schicksalsschlägen und Zweifeln die Größe Gottes. Aus dem tiefsten persönlichen Unglück heraus zeigt Gott ihm seine gewaltige Größe – am Himmel und auf der Erde und im Erdinneren, im Leben der Tiere und in den Jahreszeiten, in Wind und Wetter …und da staunt er und findet sich ab mit seinem bescheidenen Platz im großen Universum und tut Buße. So findet seine Seele Ruhe und Heilung…..

Und Hiob antwortete dem Herrn und sprach: „Ich erkenne, dass du alles vermagst, und nichts, das du dir vorgenommen, ist dir zu schwer. Wer ist der, der den Ratschluss verhüllt mit Worten ohne Verstand? Darum habe ich unweise geredet, was mir zu hoch ist und ich nicht verstehe. So höre nun, lass mich reden; ich will dich fragen lehre mich: Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; aber nun hat mein Auge dich gesehen. Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche“ […] Und der Herr wandte das Geschick Hiobs. (Hiob 42, 1ff)

Das ist der Weitwinkel Gottes. Und wie ich finde, die einzig wahre Haltung von uns Menschen auf das Erlebnis eigener Winzigkeit und Ohnmacht: In Demut zu verharren vor dem der gesagt hat, ich bin der Herr dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

Wer bin ich, dass ich rechte und mich beschwere?

Ich muss mich mit meinem bescheidenen Platz im großen Universum abfinden.

Und doch steckt im 1. Gebot auch etwas Tröstliches. Es bleibt nicht beim unpersönlichen Fatum, wir werden nicht ins Dasein geworfen von dunklen Schicksalsmächten und gehen verloren, sondern wir vernehmen eine persönliche Stimme:

Ich bin dein Gott.- Ich lasse mich auf dich ein. Ich sehe dich. Ich suche dich auf. Ich hoffe auf deine Antwort: Keine anderen Götter sollst du haben.

Martin Luther führt in seiner Auslegung zum 1. Gebot meinen Blick vom Universum auf die Erde, von den Sternen auf die Gassen: vom Weitwinkel in die Makro-Funktion.

Wir sollen Gott über alle Dinge, fürchten, lieben und vertrauen.

Gott fürchten, dazu höre ich eine Stimme, die sagt: Gott lässt sich nicht spotten. Was der Mensch säht, das wird er ernten. (Galater 6,7)

Dazu gehört, wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen. Und insbesondere mit denen, die uns anvertraut sind. Wie gehen wir mit den Kleinen um in den Kitas und Schulen? Wie nehmen wir Rücksicht im Straßenverkehr auf die Langsamen und Unbeholfenen? Kümmern wir uns um unsere Umwelt in unserer Nähe? Erheben unsere Stimme, wo unnötig Bäume gefällt werden, wo ein Kindergarten nicht gebaut werden darf, weil die Kleinen stören und schmutzen?

Lassen wir die Mutter mit dem schreienden Kind an der Kasse vor und sprechen wir mit dem Mann ohne Obdach wenigstens ein paar Worte, haben vielleicht noch etwas für ihn übrig?

In Gottes Namen, sagen manche: Ja das ist die Haltung: Gott über alle Dinge zu fürchten.

Und wir lieben ihn, wenn wir seine Geschöpfe, auch die schwierigen, die wütenden, die psychisch Kranken sehen und ertragen.

Gott über alle Dinge lieben, heißt auch das Feindbild das wir in uns tragen, in Frage stellen zu lassen.

Neulich hat mich eine Nachricht aus dem Kriegsgeschehen in der Ukraine sehr bewegt. Da wurde eine Gruppe russischer Soldaten von einem Geschoss tödlich getroffen, weil die jungen Männer ihre Handys benutzt hatten. So hatten sie sich verraten.

Mir ist das sehr nah gegangen. Die jungen Männer sind wie die jungen Männer auf der Gegenseite, von ihren Lieben getrennt und hatten wohl einfach Kontakt gesucht mit Kurzmitteilungen, vielleicht mit Selfies aus der Gefechtsstellung. Sie könnten unsere Söhne, unsere Enkel sein…

Liebe deinen Feind. Er ist wie du. Müssen wir uns die Feindesliebe aufsparen, bis zum Ende des Krieges aller Kriege, gleichsam als Luxus für Friedenszeiten?

Wir glauben an den einen großen Gott. Aber der hat sich uns in atemberaubend schlichter Weise genähert: Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, (Philipper 2,7) in Jesus und der hat unser Dasein geteilt. Und in der kurzen Zeitspanne seines irdischen Lebens gezeigt, dass der große Gott voller Liebe ist.

Jesus hat die Kinder und die Armen und die Benachteiligten gesehen und in den Mittelpunkt seiner Botschaft gestellt. Und er hat uns die schwere Feindesliebe ans Herz gelegt.

Zum guten Schluss sagt Martin Luther: Du sollst Gott über alle Dinge vertrauen.

Dazu möchte ich Ihnen eine erlebte Geschichte von mir erzählen, sie wurde mir zum Gleichnis:

Wir waren in einem Wadi in Israel. Auf einmal mussten wir, Dekans Kollegen aus Schwaben, eine Leiter an einer hohen steilen Wand hinaufsteigen.

Ich war die Letzte. Alle anderen waren schon hinaufgeklettert.

Ich hatte keine Wahl. Wenn ich nicht alleine unten im Wadi stehen bleiben wollte, musste ich diesen haushohen Aufstieg wagen.

Ich bin Sprosse für Sprosse hinaufgestiegen. Aber am schlimmsten war die Vorstellung in Turmhoher oben aussteigen zu müssen.

Ich habe gerufen: Ist da wer? Und von oben kam die Antwort: Ja komm, ich reiche dir meine Hand, ich helfe dir heraus. Danke Kollege.

Das war eine echtes Vertrauensübung.

Und für mich ist es ein Bild für das Leben, das ein Wagnis bleibt und in dem es keine andere Sicherheit gibt, als die Stimme von oben: Ich bin dein Gott. Ich sehe dich. Geh deinen Weg. Schritt für Schritt…

Wir sollen Gott über alle Dinge vertrauen.

Lasst es uns wagen. In Gottes Namen.

Amen.

Gehalten am Sonntag, 12. Februar 2023 in der Martin-Luther-Kirche in Vöhringen/Iller im Rahmen der Predigtreihe „Zehn Gebote entfaltet“.

Hier die Predigt als pdf.